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„Zuerst an eigene Nase fassen“

Gleich bei seiner Premiere gegen Alba Berlin stand er mit 31.50 Minuten am längsten von allen Merlins-Spielern auf dem Parkett. Dabei brachte er es auf 13 Punkte und versenkte seine beiden Dreier. Und das, nach erst drei Tagen in Crailsheim. Es soll Auftaktspiele geben, die schlechter laufen. Nervosität also ein Fremdwort für Chad Timberlake? „Nervös bin ich eigentlich nie. Ich weiß, was ich zu tun habe und versuche das bestmöglich zu erledigen“, erzählt der Crailsheimer Neuzugang, der auch im Gespräch viel Gelassenheit ausstrahlt. „Ich bin ein ernsthafter Typ, verlässlich und ruhig.“ Lügen kann er auf den Tod nicht ausstehen.

Unzufrieden mit der eigenen Leistung

Dann lässt er allerdings noch etwas gleichermaßen Erstaunliches wie Selbstkritisches folgen. „Ich war nicht zufrieden mit der Leistung gegen Alba!“ Dennoch hat der 30-Jährige, der aus Brooklyn kommt, Eindrücke davon gewonnen, wo bei den Merlins der Schuh drückt. „Wir müssen etwas ändern, denke ich, zum Beispiel auch bei der Rollenverteidigung. Es gibt aber eine gute Chance, etwas zu verbessern!“

Und dazu möchte Chad Timberlake sein Scherflein mit beitragen. Er war, blickt der Neu-Merlin zurück, eigentlich immer ein „Leader“, und so sieht er auch seine Rolle beim Erstliga-Aufsteiger. Dazu gehört unter anderem, den jungen Spielern zu helfen, ihnen wichtige Tipps und Kniffe an die Hand zu geben.

Respekt erst wieder erarbeiten

Dennoch ist es nicht einfach, von jetzt auf gleich zu funktionieren und Stütze einer Mannschaft zu werden. In Weißenfels, wo der 1,94 Meter Lange in der Saison 12/13 für den Mitteldeutschen BC am Start war, „habe ich die vierwöchige Vorbereitung gemacht und dabei auch die Mitspieler Schritt für Schritt kennengelernt. Inzwischen gibt es viele Neue in der Liga, und man muss sich den Respekt erst wieder erarbeiten“.

Konkrete Vorstellungen hat Timberlake, was das Unternehmen Klassenerhalt angeht. „Wir müssen uns zuallererst mal an die eigene Nase fassen – und dann hart arbeiten. Der Klassenerhalt ist machbar. Ich denke, man braucht zwölf Siege dafür. Das ist die magische Zahl.“

Familie kommt möglichst bald nach Crailsheim

Ein Strahlen kommt Chad Timberlake ins Gesicht, wenn er über seine Familie (eineinhalb Jahre verheiratet) spricht. „Mein Sohn Jackson ist jetzt neun Monate alt. Er macht mich sehr, sehr glücklich. Mein absoluter Sonnenschein.“ Seine ukrainische Frau will, samt Nachwuchs, möglichst bald nach Crailsheim nachkommen. „Dann ist alles perfekt“, freut er sich schon. Derzeit läuft der Kontakt, auch zur Familie in den USA, vornehmlich via Skype. „Jeder ist geschäftlich unterwegs. Meine Schwester ist Politikerin und deshalb auch schwer zu erreichen.“

Geboren ist Timberlake in Wiesbaden („zwei Jahre dort gelebt“), wo auch sein Vater Basketball gespielt hat. In seiner Karriere war der 30-Jährige eine Art Globetrotter, hat in USA, Tschechien, Deutschland, Polen, Israel und zuletzt Ungarn gespielt. Was ihn als Kenner des europäischen Basketballstiles ausweist. „Einfach ist es nie an einem neuen Standort“, meint er. Dennoch hat er sich stets schnell eingefunden.

Auch über die Zeit nach der Karriere macht sich Timberlake so seine Gedanken. Coaching wäre sicherlich eine Option. „Vielleicht noch was studieren, eventuell selbstständig machen, mal sehen.“

Heute gegen Trier will Chad Timberlake zum zweiten Mal für die Merlins auflaufen. Mal sehen, wie er dann mit seiner Leistung zufrieden sein wird. 

Enskats Einschätzung

Gegen Alba Berlin kann man als Aufsteiger verlieren. Mit Trier wartet nun eine Aufgabe gegen ein Team, das vermeintlich auf Augenhöhe liegen könnte. „Vor allem auf einen besseren Start“, hofft Ingo Enskat dabei in der Partie gegen die Moselstädter. „Wir dürfen nicht so nervös beginnen und müssen konsequent versuchen, unsere Linie umzusetzen“, so der sportlicher Leiter weiter. Ein Erfolgserlebnis wäre Gold wert. „Dreimal waren wir bisher in Reichweite. Gegen Göttingen haben wir selber verloren, gegen Bayreuth und Ludwigsburg zumindest am Sieg gekratzt. Allerdings hat der letzte entscheidende Schritt gefehlt.“ Zwei neue Gesichter gilt es zu integrieren. Wobei Chad Timberlake gegen Berlin einen gelungenen Einstand feierte. „Wenn das alles klappt und die Mannschaft konzentriert in der Verteidigung arbeitet, haben wir eine Chance auf ein offenes Spiel. Von einem Pflichtsieg können wir nicht reden.“ 

Gästecoach Rödl

Mit dem Pfund, bereits zwei Spiele gewonnen zu haben, kommen die Moselstädter in die Arena Hohenlohe. Gegen Braunschweig und Göttingen hat sich das Team durchgesetzt, dessen bekanntester Name der von Henrik Rödl ist, dem Coach und 178-fachen Nationalspieler. Die Trierer setzen verstärkt auf junge deutsche Spieler. „Die Partie am Samstag wird für beide Seiten sehr wichtig sein“, erklärt der 44 Jahre alte Rödl. „Crailsheim hat zwei neue Spieler bekommen, wird aus der Vergangenheit seine Lehren gezogen haben und jetzt neu angreifen wollen.“ Überhaupt glaubt der Ex-Alba-Spieler, sei es „in der Liga extrem schwer auswärts zu gewinnen“. In der Arena erwartet er einen Hexenkessel. „Eigentlich ein Vier-Punkte-Spiel, in dem für beide viel auf dem Spiel steht.“ Der Trierer Coach rechnet mit einem „spannenden, engen, intensiven Spiel. Die bessere Tagesform wird für die Entscheidung sorgen“. 

Info Henrik Rödl (45). Der Small Forward gehörte zum deutschen EM-Team 1993, gewann mit Berlin sieben Mal in Folge die „Deutsche“. Ab 10/11 übernahm Rödl den Trainerposten in Trier. 2014 fungierte er als Trainer der deutschen A-2-Nationalmannschaft.

Text: Klaus Helmstetter www.hohenloher-tageblatt.de

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