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„Leute freut, wenn man kämpft“

Entspannt schlendert er in die Halle. Mit einem breiten Lachen im Gesicht. Der erste Eindruck: Er ist riesengroß. Seinen 2,08 Metern gegenüber kommt man sich als Normalo-Gewachsener fast winzig vor. Andriy Agafonov, aktueller Neuzugang bei den Crailsheimer Basketballern. „Auch bei uns in der Ukraine will jedes Kind Fußball spielen. Ich war aber schon damals in der Grundschule sehr groß, also hat man mich ins Tor gesteckt“, erzählt er von seinen sportlichen Anfängen. Die hoffnungsvolle Fußballkarriere fand freilich ein schnelles Ende. „In der dritten Klasse bin ich dann von Coaches gesichtet worden, zum Basketball gekommen und die folgenden 20 Jahre dort geblieben!“ 

Basketball ist sein Metier. Das wird schnell klar. Er spricht mit Händen und Füßen, gepaart mit ausdrucksstarker Mimik und guter Laune, die ansteckend wirkt. 

Bislang hat Agafonov ausschließlich in seiner Heimat gespielt, für die Teams aus Khimik, Budivelnyk und Odessa. In der Millionenstadt ist er zu Hause.

Kindheitstraum Deutschland

Beim Thema Ukraine kommt man unweigerlich auf die aktuelle politische Situation zu sprechen. „Einerseits haben wir einen Krieg der Medien, denke ich. Andererseits aber einen realen Krieg, in dem Menschen sterben“, erklärt der Neu-Crailsheimer. „Und manchmal weiß man gar nicht so recht, wer mit wem oder gegen wen ist.“ Direkten Kontakt mit den kriegerischen Auseinandersetzungen hat Agafonov nicht gehabt. Seine Heimatstadt Odessa, am Schwarzen Meer, liegt 800 bis 1000 Kilometer entfernt. 

Eines Tages mal nach Deutschland zu kommen, war für Agafonov ein Kindheitstraum („ich mag das Land einfach“), der nun wahr wird. Ganz und gar, wenn ihm, wie erhofft, in Kürze auch Frau und die acht Monate alte Tochter nach Deutschland folgen. 

Trainerausbildung absolviert

Natürlich ist Agafonov auch für seine Landesauswahl aufgelaufen, weiß aber gar nicht mehr so recht, wie oft. In der heimischen Topliga spielen in der Regel 14 Teams. „Im Augenblick sind es aber nur elf.“ In der neuen Heimat fühlt er sich gut aufgenommen. „Die Leute sind freundlich, verstehen mein Englisch“, wobei der Neue auch Deutsch lernen möchte. Momentan ist er bei „guten Tag“ und „auf Wiedersehen“ hängen geblieben. 

Zwar hat der „lange Lulatsch“ eine Trainerausbildung absolviert, rümpft aber die Nase bei der Vorstellung, diese Tätigkeit tatsächlich auch praktisch auszuüben. Immer grübeln und sich den Kopf zerbrechen, über Gegner, Spielzüge und entsprechende Antworten – das ist seine Sache nicht. Auf jeden Fall spielen, so lange es geht. 

Agafonov geht dahin, wo es richtig wehtut

Auf die deutsche Spitzenliga hält Agafonov große Stücke. Wie sieht es in der Heimat aus? „Fußball ist die Nummer 1, Basket- und Volleyball  vorne dabei – und natürlich die Klitschkos. Oder zuerst die Klitschkos und dann …“ 

Und sein Job als Power Forward und Center. Da muss man hin, wo es richtig wehtut. „Die Leute sehen nur den freien Wurf, aber nicht, welche Kämpfe davor oder währenddessen ablaufen. Ich mag diesen Stil. Und die Leute mögen es, wenn man kämpft und sich einsetzt.“

Mehr und mehr Einsatzzeit

Schritt für Schritt findet sich der Neue immer besser im Spiel der Merlins zurecht. Zuletzt hat der Coach Agafonov mehr Spielzeit eingeräumt. Was den natürlich freut. „Das gibt mir ein gutes Gefühl und ist wichtig, denn man braucht Zeit, um sich zu präsentieren.“

Müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn er die heute gegen Braunschweig nicht bekommen sollte!  

 

Die Trainerstimmen vor dem Spiel gegen Braunschweig:

Enskats Einschätzung

Die Jungs wollen endlich einen Sieg dastehen haben“, unterstreicht Ingo Enskat. Der Merlins-Coach freut sich über die zuletzt starken Auftritte seines Teams. 

Allein belohnt hat sich die Mannschaft noch nicht. Trotzdem hat sie sich weiterentwickelt. „Das macht Mut. Auch das Zusammenspiel hat sich verbessert. Wenn wir an die Leistung gegen Bonn anknüpfen, sollte es ein gutes Spiel werden.“ 

Aufgrund der Personalwechsel wird die Crailsheimer Rotation kleiner. Darin liegt aber auch eine Chance, glaubt der Coach. „Jeder Spieler steht mehr in der Verantwortung. Das kann sich auch positiv auswirken, wie man in Bonn gesehen hat. Für jeden bedeutet das eine neue Herausforderung! Man muss“, so Enskat, „der Mannschaft ein Kompliment machen, denn sie hat bisher nicht viele Anlässe gehabt, um Selbstvertrauen zu tanken.“  

Gästecoach Raoul Korner

Wir haben die letzten drei Partien sehr konstant gespielt und gegen Bremerhaven, Bonn und Oldenburg gewonnen“, erklärt Raoul Korner, Coach der Niedersachsen. „Trotzdem stehen wir bei den Merlins vor einer schweren Aufgabe. Ihre Partien gegen Bonn sind für uns Warnung genug.“ Das Hinspiel ge-

wannen die Löwen rein rechnerisch deutlich (89:73). „In der ersten Hälfte hatten wir in der Defense große Probleme. Später haben die Niedersachsen in der Defense einen Zahn zugelegt und die Partie sicher nach Hause gespielt.“ Von der Favoritenfrage will Raoul Korner für heute Abend nichts wissen. „Dafür gibt es für uns nichts zu kaufen. Crailsheim kann unbekümmert aufspielen und hat nichts zu verlieren. Wir müssen 100 Prozent geben“, erklärt der Österreicher auf der Braunschweiger Bank. „Bis vor drei Runden steckten wir mitten im Abstiegskampf und sind bei Gott noch nicht am Ziel.“    

Klaus Helmstetter / Hohenloher Tagblatt

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