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Merlins-Trainer Tuomas Iisalo: Ein Finne für die Familie

„Kennst du da nicht wen?“ So oder so ähnlich könnte die Frage von Romig an Kyöstilä gewesen sein. Nach der 57:83-Niederlage gegen die EWE Baskets Oldenburg am 5. März sollte ein neuer Trainer her. Und Kyöstilä muss nicht lange überlegen. „Ich hatte da einen Anruf aus Deutschland“, sagt er zu Tuomas Iisalo. „Du könntest vielleicht ein Bundesliga-Team trainieren.“

„Die brauchen Hilfe.“

Kleiner Haken an der Sache: Iisalo muss sich schnell entscheiden. Er will eine Nacht drüber schlafen, aber eigentlich steht sein Entschluss schon fest, als er seine Frau Tiina ansieht, die alles mitgehört hat. „Auf jeden Fall!“, sagt sie nur. Zwei Tage später sitzt er im Flieger von Helsinki nach Frankfurt, die Augen ganz schwer vor lauter Videostudium. Er musste sich ja noch ein Bild von den Spielern machen. „Die brauchten Hilfe“, sagt Iisalo, „die verlieren haushoch.“

Finnische Trainer im deutschen Basketball hat es immer wieder gegeben, der bekannteste ist sicherlich Henrik Dettmann. Von 1997 bis 2003 trainierte er die deutsche Nationalmannschaft, führte sie bei der WM 2002 zu Bronze. Heute trainiert Dettmann, 58, das finnische Nationalteam. Er ist ein wichtiger Ratgeber für Iisalo, nicht nur was das Leben in Deutschland angeht. Sie telefonieren regelmäßig.

In der vergangenen Woche war Iisalo wieder für vier Tage in Crailsheim, um eine Wohnung oder ein Haus zu suchen, eines mit Garten wäre schön. Seit die Merlins seinem Sieben-Wochen-Vertrag für die erste Liga einen Zwei-Jahres-Vertrag folgen ließen, steht fest, dass der 33-Jährige seine Frau und seine zwei Kinder mitnimmt. Im Juli ist es so weit. Seine Tochter wird sogar in Crailsheim eingeschult, derzeit lernt sie fleißig Deutsch. Und Iisalo? Versteht mehr als er sprechen kann. „Bis auf den Dialekt“, sagt er und lacht sein verschmitztes Lächeln, bei dem sich ein Mundwinkel ganz weit nach oben zieht.

Es ist übrigens nicht der erste längere Deutschland-Aufenthalt für Tuomas Iisalo. Vor dem Mauerfall wohnte er vier Jahre in Berlin, sein Vater arbeitete fürs Fernsehen. An die Zeit kann sich Iisalo natürlich nur vage erinnern, dazu war er zu klein. Im Gedächtnis geblieben sind ihm noch die Rumkugeln im Schaufenster beim Bäcker um die Ecke und ihre Schildkröte namens Rose, die einst aus dem Garten ausbüxte und leider nie wieder zurückkehrte.

Erstmal ein Kaffee

Beim Bäcker in Crailsheim gibt es anno 2016 Kaffee. Iisalo bestellt einen doppelten Espresso. Die Finnen sind – was vielleicht die wenigsten wissen – Weltmeister im Kaffeetrinken. Zwölf Kilo verbrauchen sie pro Kopf im Jahr, die Deutschen kommen auf etwas mehr als sieben. Die „Kaffepaussi“ im Land ist ein verbrieftes Recht, zweimal 15 Minuten pro Arbeitstag. Und auch sonst gilt: Wenn man sich besucht oder etwas zu erzählen hat, gibt es erst mal einen Kaffee.

Kaffepaussi mit Tuomas Iisalo. Er trägt Jeans, Turnschuhe und dazu ein Merlins-Shirt. Aus der Arena kennt man ihn ja sonst nur mit Anzug. 14 Jahre spielte er in der ersten finnischen Liga, brachte es auf 532 Spiele. 57-mal lief er für die finnische Nationalmannschaft auf. Derzeit wohnt er noch in Espoo – mit rund 260.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Finnlands.

„Er hasst es, zu verlieren“

Wer wissen will, wie Iisalo tickt, fragt am besten seinen Freund Shawn Huff, 32. Der spielt bei den MHP Riesen Ludwigsburg und muss in den Play-offs gegen Bayern München ran. Iisalo und Huff kennen sich seit 2003, spielten gemeinsam bei Espoon Honka und in der Nationalmannschaft, Huff hat eine finnische Mutter. Tuomas sei ein nachdenklicher Typ, ein harter Arbeiter, gebildet, belesen und sehr ehrgeizig, sagt Huff, aber: „Er hasst es, zu verlieren.“ Als Spieler habe Tuomas immer schon alles analysiert. Für Huff war „klar, dass er Trainer wird“.

Bereits 1995 fing bei Iisalo mit Jugend- und Schulteams alles an. 2013 bekam er das Angebot als Assistenztrainer in der ersten finnischen Liga, später dann wurde er Headcoach, zuletzt bei Tapiolan Honka. Und heute? Mit 33 könnte er doch eigentlich noch spielen. Warum nicht? Sein Körper hat nicht versagt, es war Kopfsache. Der Spieler Tuomas Iisalo ist, wenn man so will, an den hohen Ansprüchen des Trainers Tuomas Iisalo gescheitert. Aufzuhören, so sagt er es heute: „Das war die beste und die schlechteste Entscheidung meines Lebens.“

Als Spieler habe er viele gute Trainer gehabt. Einer davon ist Gordon Herbert, der mit den Fraport Skyliners aus Frankfurt in den Play-offs Alba Berlin deklassiert hat. Klein ist sie, die Basketball-Welt. Nun ginge es darum, seinen eigenen Stil zu entwickeln. „Das Schlimmste, was du tun kannst, ist jemanden kopieren“, betont Iisalo. Neulich wollte er sich bei Jukka Kyöstilä bedanken, dass der sofort an ihn dachte, als der Anruf aus Deutschland kam. Aber nein, sagte Kyöstilä, „das warst du selber“.

Vor Kurzem hat Iisalo ein Buch über Bayern-Trainer Pep Guardiola gelesen, das ihn fasziniert. Weil der ein Fußballspiel schon vorher im Kopf plant und auf alle Situationen vorbereitet ist. Diese Detailversessenheit! „Guardiola kann den besten Spielern der Welt jeden Tag etwas beibringen“, sagt Iisalo. Das will schon was heißen. Für den Finnen gibt es neben Zeit und Raum auch so etwas wie Anziehungskraft. Ein Spieler zieht gegnerische Spieler an und öffnet Räume für andere.

Bei den Merlins hat das mit der Anziehungskraft und den Räumen nicht so funktioniert. „In einer Situation, in der es dunkel wird“, wie Iisalo das formuliert, konnte er den Abstieg nicht verhindern. Zuletzt hagelte es 19 Niederlagen in Serie, zehn unter seiner Regie, kein Auswärtssieg. Überhaupt wartet Iisalo noch auf den ersten Sieg. Wie ihn, der Verlieren so hasst, das wurmen muss. Er hat es sich jedenfalls nicht anmerken lassen. Am Ende habe vielleicht ein Sieg gefehlt, an dem sich das Team hätte aufrichten können, meint Iisalo, einer für die Moral. Aber Erfolge seien erst möglich, wenn man in einen Kampf komme. Unter Iisalo haben die Merlins zuletzt den Kampf angenommen, immerhin.

Jost und Flomo bleiben

Jetzt kriegt der Neue erst einmal mehr Zeit mit einer richtigen Saisonvorbereitung, aber das Team kriegt leider auch ein neues Gesicht, wie es im Basketball so üblich ist. Fünf bis sechs Spieler würde er in die Pro A mitnehmen, wenn er könnte, sagt Iisalo. Bisher ist lediglich sicher, dass Michael Jost und Patrick Flomo bleiben. Das hat natürlich damit zu tun, dass in dieser Liga immer mindestens zwei deutsche Spieler auf dem Feld stehen müssen.

Was ihn in Crailsheim „von der ersten Sekunde“ an gefallen habe? Wie Verein und Fans den Basketball leben – und lieben. Alles eine große Familie. Leidenschaft trifft Leidenschaft. Und was die Merlins sicherlich gerne hören: „Ich habe das Gefühl, ich kann noch mehr geben“, so sagt es Iisalo. Dann ist nach zweieinhalb Stunden Kaffepaussi vorerst Schluss. Patrick Flomo wartet. Es geht um dessen individuelles Fitnessprogramm.


Quelle: Hohenloher Tagblatt Online

Das Portrait von Tuomas Iisalo wurde bei unserem Medienpartner Hohenloher Tagblatt/Südwestpresse in der Reihe „Einer von uns“ veröffentlicht:

http://www.swp.de/crailsheim/lokales/crailsheim/Merlins-Trainer-Tuomas-Iisalo-Ein-Finne-fuer-die-Familie;art1222876,3837679

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