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Vergebliche Schneewanderung

Um 9.45 Uhr brachen die Crailsheim Merlins am Samstag per Bus gen Hagen auf. Laut Routenplaner braucht man für die knapp 415 Kilometer lange Strecke etwas mehr als vier Stunden. Das Bundesligaspiel sollte um 18.30 Uhr beginnen. Doch so weit kam es nicht. Bereits nach gut einer halben Stunde Fahrt steckte der Merlins-Bus auf der A 6 zwischen Schwäbisch Hall und Kupferzell im Stau. Ein Lkw hatte sich quergestellt und blockierte die Fahrbahn. Dies zog einen Stau von rund 25 Kilometern Länge nach sich, wie die Polizei mitteilte – in beiden Fahrtrichtungen.

Etwa 50 Meter entfernt von der Unfallstelle mussten die Merlins warten. Und warten. Und warten. Eine halbe Stunde solle es etwa dauern, bis die Bergung erledigt sei, erklärten die Polizisten auf Nachfrage. Dann wurde noch mal eine halbe Stunde draufgepackt. Und noch mal eine. Die Autobahnmeisterei sperrte die Autobahn schließlich komplett, selbst die Polizei durfte nicht fahren.

Mit Minibussen die Reise fortgesetzt

Gegen 13 Uhr entschieden Trainer Ingo Enskat und Manager Martin Romig, dass das Team samt Betreuer Hans Ludwig und Physiotherapeuten Christian Ehrmann aussteige, die zwei Kilometer bis zur Ausfahrt Kupferzell laufe und von dort mit angeforderten Minibussen und einem Auto die Reise nach Hagen fortgesetzt werde. „Wir wollten unbedingt nach Hagen, das war unser oberstes Ziel“, erklärte Martin Romig, der auch die Option Bahn in Betracht gezogen hatte. Doch vom Bahnhof in Waldenburg wäre man ebenfalls nicht mehr rechtzeitig angekommen, so Romig.

Die Mannschaft nahm also nur die wichtigsten Utensilien mit auf die unfreiwillige Wanderung durch den Schnee. Die Starting Five fuhr mit dem ersten Minibus voraus. Juliane und Karin Wieler, Tochter und Gattin des stellvertretenden Abteilungsleiters Joachim Wieler, hatten die Fahrzeuge schnellstmöglich an die Autobahnausfahrt gefahren.

Punkte weg. Geld weg

BBL-Spielleiter Dirk Horstmann, mit dem Manager Romig in ständigem Kontakt stand, hatte Hagen über die Probleme informiert. Das Spiel sollte eine Stunde später um 19.30 Uhr beginnen. Doch weitere Staus verhinderten, dass Moore, Mosley und Co. auch nur in die Nähe des Spielorts kamen. „Wir sind im Viereck rumgefahren, waren aber in der Falle“, sagte Romig.

Ein 60 Minuten späterer Spielbeginn wäre laut Paragraf 17 der BBL-Spielordnung erlaubt gewesen. Dort ist auch geregelt, was im Falle des Nichtantretens einer Mannschaft geschieht. Die BBL wertet das Spiel mit 40:0 für das andere Team, das zwei Punkte erhält. So kommt Hagen kampflos zum ersten Heimsieg in dieser Saison. Zusätzlich kostet es den Verursacher des Spielausfalls erheblich Geld.

Entschädigung in Höhe von 50 000 Euro droht

„Hat die Spielleitung in den Fällen des Paragrafen 17 auf Spielverlust gegen den Gast entschieden, hat dieser dem Gastgeber auf erstes Anfordern eine sofort fällige pauschalierte Entschädigung von netto 50 000 Euro zu leisten. Damit sind alle Ansprüche zwischen den Spielpartnern erledigt.“ Zudem kommt eine Strafe von weiteren 5000 Euro hinzu.

Crailsheim wird  Einspruch gegen die Spielwertung heben. „Wir haben noch bis Montag Zeit. Das ist ein Haufen Geld für uns“, sagte Merlins-Manager Martin Romig. Und dem Sportinformationsdienst teilte er mit: „Wir geben schon das Zehnfache für die Anreise aus wie in der zweiten Liga. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt für uns. Aber Fakt ist: Wenn sich direkt vor Ihnen ein Lkw querstellt, stehen Sie machtlos da.“

Man fahre seit 15 Jahren quer durch Deutschland, „aber so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte Romig. „Wir entschuldigen uns für die Umstände und sind selber furchtbar enttäuscht! Wir haben alles probiert und möchten uns bei allen Zuschauern und Fans entschuldigen“, so Romig.

Pommer übt Kritik

BBL-Geschäftsführer Jan Pommer übte bei Focus online allerdings deutliche Kritik an den Crailsheimer Basketballern. „Professionalität heißt: vorbereitet. Diese Vorbereitung hat hier nicht stattgefunden. Das ist betrüblich und sehr ernüchternd“, sagte Pommer.

Zurück im großen Merlins-Bus blieben aufgrund Platzmangels in den Minibussen Betreuerin Marianne Wolff, Athletiktrainer Erkin Kasa, die Busfahrer Kim und Peter Kröper sowie Joachim Mayerhofer, der Redakteur der SWP. Sie konnten erst gegen 14.45 Uhr von der Autobahn abfahren und zurück nach Crailsheim – weil sich auch noch ein Streufahrzeug, dessen Allrad nicht funktioniert hatte, festgefahren hatte.

Joachim Mayershofer / Hohenloher Tagblatt

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