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Interview mit Ingo Enskat

Für die Crailsheim Merlins geht der Ausflug in die 1. Basketball-Bundesliga zuende. Am Donnerstag heißt es bei den Artland Dragons Abschied nehmen.

Mit dem Spiel bei den Artland Dragons in Quakenbrück verabschieden sich die Crailsheimer Basketballer aus der Bundesliga. Sieben Saisonsiege waren zu wenig, um den Klassenerhalt zu schaffen.

HOHENLOHER TAGBLATT: Was bleibt nach einer Saison in der Beletage des deutschen Basketballs?

INGO ENSKAT: Obwohl wir die gesamte Saison in der Tabelle unten drin steckten, hat sich das Umfeld weiter entwickelt. Ich hätte nie gedacht, dass der Zuschauerschnitt zunimmt und wir in puncto Sitzplätze komplett ausverkauft wären. Auch im letzten Saisondrittel, als quasi feststand, dass wir die Liga nicht halten könnten, herrschte in der Halle super Stimmung. In Sachen Sponsorenumfeld haben wir auch zugelegt. Ich kann mir schwer vorstellen, dass es das irgendwo anders in dieser Form gegeben hätte.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

ENSKAT: Die Begeisterung war schon zu Zweitligazeiten ausgeprägt. Ich hätte nicht gedacht, dass sich soviele neue Fans einfinden würden. Die Leute wollen sehen, dass die Spieler anpacken und versuchen, das Ganze irgendwie zu stemmen. Wir haben auch akzeptiert, wenn die Mannschaft fightet am Ende mit zwei oder drei Punkten verloren hat. Dann konnten die Fans trotzdem sagen: Hey, das war ein geiles Spiel.

Was zeichnet das BBL-Team aus?

ENSKAT: Ich glaube, die Mannschaft hat einen sympathischen Eindruck gemacht. Fast alle Spieler waren Neulinge in der Liga, die es von Anfang an nicht gewohnt waren zu gewinnen. Wenn wir da einen schlechten Teamspirit gehabt hätten, wären wir in der zweiten Saisonhälfte eingegangen und hätten die Saison womöglich mit einem Sieg beendet. Aber es sind gute Jungs, auf die lasse ich nichts kommen.

Sportlich hat in der BBL nicht viel gefehlt, trotz kleinem Budget. Kann man mit schmalem Geldbeutel doch die Klasse halten?

ENSKAT: Wenn wir mit den jetzigen Erfahrungen und dem aktuellen Kader neu in die Saison starten würden, dürfte die Mannschaft eine deutlich bessere Rolle spielen. Uns hat vor allem in der ersten Saisonhälfte Erfahrung gefehlt. Deshalb haben wir bis Mitte der Saison ein paar Spieler getauscht. Das hat neue Impulse gebracht, weil die Spieler gut eingeschlagen haben – qualitativ ein Sprung nach vorne.

Woran machen Sie das konkret fest?

ENSKAT: Wenn man in der Rückrunde Spiele von uns anschaut – gerade die positiven gegen Göttingen, Bayreuth, Ludwigsburg – und mit denen in der Vorrunde vergleicht, sieht man: Die Mannschaft spielt zum Teil ganz anders. Aber wir haben es nicht geschafft die so genannten Vier-Punkte-Spiele zu gewinnen. Da sind wir zu verkrampft, ohne die nötige Lockerheit.

Kann das Team besser Underdog?

ENSKAT: Die Situation, unbeschwert ins Spiel zu gehen, war für uns in vielen Situationen sehr wichtig. Gerade auswärts mit den Siegen in Trier, beim MBC, in Göttingen. Es war schon sehr überraschend, wie wir da aufgetreten sind. Inzwischen hat die Mannschaft gemerkt: Wenn’s passt, können wir in der Liga viele Spiele gewinnen. Wenn’s nicht passt, können wir genauso gut gegen jeden Gegner verlieren.

Das wegen Schneechaos ausgefallene Hagen-Spiel und die folgenden 50.000 Euro Strafe: Gingen die Merlins vielleicht sogar gestärkt aus dieser Situation hervor?

ENSKAT: Aus dieser Perspektive habe ich das noch gar nicht gesehen. Finanziell war es sehr einschneidend. In dem Moment hat der Verein gezeigt, dass er zusammenhält, weil man im Endeffekt nicht daran gescheitert ist. Wir sagen nie: Wir geben jetzt mehr Geld aus, weil wir noch Sponsoren dazu gewinnen werden. Früher war es ja gang und gäbe, darüber zu spekulieren, was noch dazu kommt. Um das zusätzliche Geld schon auszugeben, obwohl es noch gar nicht da ist. Wir sind von der Planung her ein sehr solider Verein geworden, auch wenn wir nach außen hin noch den Ruf haben, Verrückte zu sein. Es erinnert so ein bisschen an St. Pauli im Fußball: Da sitzen im Büro auch nicht irgendwelche Chaoten, sondern Leute, die das Ganze durchplanen und überlegen, was ist unser nächster Marketing-Schritt. Da sind wir schon sehr professionell.

Als sich der Abstieg abgezeichnet hat, war zu hören, dass jetzt nur der Wiederaufstieg Ziel sein könne?

ENSKAT: Man kann ja mal in Vechta nachfragen, wie leicht es ist, sofort wieder aufzusteigen. Natürlich wird es Ziel sein, erneut in den Play-offs zu spielen. Man kann den Aufstieg nicht so einfach planen. Wenn man bedenkt, dass Vechta dieses Jahr wahrscheinlich mehr Geld zur Verfügung hatte als wir, mit neuer Arena, Schwung aus der Bundesliga, Stabilisierung des Umfeldes und vielen Lernerfahrungen – alles trotz Abstieg positiv. Und jetzt wurden sie Zehnter.

Welche Rolle spielt das liebe Geld?

ENSKAT: Wenn man mit seinem Budget nicht deutlich über den anderen steht, kann man nicht einfach sagen, dass wird ein automatischer Durchmarsch. Wir werden in der Pro A, so wie wir jetzt den niedrigsten Etat in der BBL haben, schon über einen guten Etat verfügen, aber nicht Liga-Krösus sein. Ziel wird sein, eine funktionierende Mannschaft zusammenzustellen. Da spielt Geld manchmal nicht die wichtigste Rolle, sondern auch die Charaktere der Spieler, die als Team funktionieren müssen. Andererseits macht Geld schon viel aus. Die Mannschaften, die in der BBL ganz oben stehen, sind die, die auch am meisten Finanzkraft haben. Über die letzten Jahre gesehen ist die Bundesliga-Tabelle ein gutes Spiegelbild der finanziellen Tabelle, natürlich immer mit dem einen oder anderen Ausreißer. So ähnlich ist es auch in der Pro A.

Beim jeweiligen Umbau der Arena für die Spiele ist viel Energie nötig. Bleiben die Helfer noch wie am Anfang bei der Stange?

ENSKAT: Eine Regelmäßigkeit macht es schwerer. Natürlich sind Leute immer eher bereit, einmal bei einer coolen Sache zu helfen als immer. Aber in Crailsheim lässt sich das gut bewerkstelligen. Man sieht ja auch, dass es sich auszahlt. Beim Aufbau spielen immer der finanzielle und auch der Zeitfaktor eine Rolle. Aber so lange wir keine eigene Halle haben, ist das eine gute Spiel-Arena. Ich würde sie jetzt auf jeden Fall nicht gegen eine andere Halle unserer Kontrahenten tauschen wollen.

Die Basketballer sollen und wollen aus dem TSV Crailsheim ausgegliedert werden! Wie man hört, scheint das Projekt ins Stocken geraten sein.

ENSKAT: Das habe ich nicht so wahrgenommen. Dazu kann ich auch nicht wirklich etwas sagen. Ich weiß nur, dass es ein Projekt ist, das jetzt durchgezogen wird. Aber ich weiß jetzt nicht, wie der genaue Stand ist.

Wer geht, wer bleibt?

ENSKAT: Wir machen uns Gedanken darüber, welchen Spieler wir, von der Leistung her behalten möchten, und wer es in Crailsheim geil findet. Das sind die Faktoren, die uns wichtig sind. Man kann, aus psychologischer Sicht, nicht mit einer Mannschaft, die so viele Spiele verloren hat, in die nächste Saison gehen, weil man dann nicht diese Gewinnermentalität hat – Bundesliga hin oder her. Es muss auch wieder frisches Blut rein.

Was heißt das konkret?

ENSKAT: Ich denke, dass sich viele der Jungs jetzt als Erstligaspieler empfinden, weil sie ein Jahr erste Liga gespielt haben. Alle werden irgendwie versuchen, auf Erstliganiveau – in Deutschland oder woanders – in einer guten Gehaltsklasse unterzukommen. Da können wir gar nicht mitbieten. Wir sind darauf angewiesen, wieder neue Leute zu finden, die einschlagen. Wobei ich etablierte Spieler wie Jonathan Moore oder Stevie Johnson aber nicht außen vor lassen möchte.

Und Ingo Enskat – bleibt es bei der Doppelfunktion sportlicher Leiter und Trainer?

ENSKAT: Prinzipiell arbeite ich in erster Linie auf der Trainerschiene. Die sportliche Leitung machen Martin Romig und ich zusammen. Wir haben die Entscheidungen immer gemeinsam getroffen. Alles andere ist auf mehrere Schultern verteilt mit Tom Nittel, Jörg Schmitz, Nicole Wagner, Benny Schweigert, Michael Heck, dem Vorstand um Sebastian Klunker und Joachim Wieler.

Wie soll man sich die Konstruktion des neuen Teams vorstellen? Schließlich müssen in der Pro A wieder mindestens zwei deutsche Spieler permanent auf dem Parkett stehen.

ENSKAT: Wir würden gerne, gerade auf den deutschen Positionen Spieler haben, die schon eine gewisse Erfahrung auf diesem Level haben. Sei es in der BBL oder in der Pro A. Die auch für die Amerikaner dann gleich da sind und sagen können, so und so läuft’s. Der erste Pick hat auf alle anderen Positionen Einfluss.

Zielvorgabe für die neue Spielzeit?

ENSKAT: Wir haben schon das Ziel, in die obere Tabellenhälfte vorzustoßen. Die dann hoffentlich zur Teilnahme an den Play-offs berechtigt.

Am Donnerstag findet bei den Attland Dragons das letzte Erstligaspiel der Merlins statt. Mit welchen Gefühlen fahren sie dorthin?

ENSKAT: Ich bin nicht sentimental. So wie wir vergangenes Jahr nach dem letzten Saisonspiel aufgestiegen waren, geht es jetzt wieder in die Pro A. Im Grunde hätte man gerne einen Abschluss daheim gehabt. So wie gegen Bamberg mit dieser phänomenalen Verabschiedung. Das hat man auswärts nicht.

Das Interview führten Klaus Helmstetter und Joachim Mayershofer Hohenloher Tagblatt

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